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Dass ich einmal in einem Gesangverein singen würde, damit hatte ich als Jugendlicher nicht gerechnet. Zugegeben, Musik hatte mich schon immer interessiert. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir Kinder und Jugendlichen unsere Lieblingsbands nachgeahmt haben. Der Tennisschläger war die Gitarre, die Ariel-Trommeln das Schlagzeug, irgendein rechteckiger Kasten das Klavier, ein langes rundes Ding das Mikrofon, schon war die Band fertig. Aber es war ja nur Spaß. In der Schule, im Musikunterricht, bin ich nicht in den Schulchor gekommen weil meine Stimme zu schwach war. Eine Viertelnote konnte ich von einer halben Note unterscheiden, aber den Unterschied zwischen Dur und Moll konnte ich nicht begreifen. Es ist mir auch heute noch gleichgültig, ob in Fis-Dur oder Schiss-Moll gesungen wird.

Einige Leute kannte ich schon vorher, bevor ich den ersten Übungsabend besuchte. Zum Friseur Ernst Dwenger ging ich schon immer zum Haareschneiden. Gerhard Schmidt war der Mann von Elli Schmidt, Anfang der 80er Jahre des vorherigen Jahrhunderts war sie eine Zeitlang die Bürgermeisterin von Siek. Karl-Otto Just war ein ehemaliger Kleinbauer in Siek, außerdem der Vater von meinem Schulfreund Christian. Einige andere kannte ich flüchtig.

Den ersten Kontakt zum Gesangverein hatte ich, als mein Großvater 80 Jahre alt wurde. Wie früher üblich waren solche Feiern die reinsten Dorffeste. Der Gesangverein brachte auch ein Ständchen, und bei dieser Gelegenheit entstand auch das Foto mit Ralf Kögl und mir, in der Chronik vom Gesangverein unter „Mitgliederwerbung“ verewigt. Das war im Februar 1982, damals war ich 19 Jahre alt, ging zur Landwirtschaftsschule und hatte nichts anderes als Fußball im Kopf – schließlich war es damals die Glanzzeit vom HSV. Es war ein netter Abend, aber ich hatte mir nichts weiter bei gedacht.

In den nächsten Monaten gab es immer wieder lose Kontakte, aber ich verspürte noch kein Interesse. Das änderte sich im Februar 1984, die Karnevalsfeier vom Sieker Sportverein in der Sieker Mehrzweckhalle. Dieses Mal hatte mich Gerhard Schmidt, damals der 1. Vorsitzende im Gesangverein, bei meiner schwachen Seite gepackt. Anfang Juni sollte eine Chorreise nach St. Valentin (Österreich) stattfinden, und er wollte mich gerne mitnehmen. Wann konnte ich als Landwirt schon einmal einen Ausflug über mehrere Tage machen, wenn nicht in einer Gemeinschaft wie dem Sieker Chor? Für andere war es selbstverständlich, dass die Eltern mit ihren Kindern in den Ferien irgendwohin fuhren und mehrere Tage dort übernachteten, ich habe es nie erlebt, weil die Pflicht auf dem Hof dies einfach nicht zuließ. Und jetzt sollte es sogar ins Ausland gehen, das erste Mal konnte ich ins Ausland fahren. Der Bann war gebrochen. Ich dachte mir, versuchen kann ich es ja einmal, und wenn es nicht klappt kann ich nach dem Ausflug nach St. Valentin den Verein immer noch verlassen.

Am Abend des 7. März 1984 rief Ernst Dwenger bei mir an und holte mich zum Übungsabend ab. Ich wurde freudig begrüßt, ein neuer Sänger war immer gerne willkommen, und ein junger dazu noch mehr. Überrascht war ich auch, da der Verein keinen Chorleiter hatte wie auf dem Geburtstag von meinem Großvater, sondern eine Chorleiterin. Oh Gott, wie sollte das bloß was werden? Das hatten vor mir die anderen Sänger auch gedacht, schließlich war Marianne die erste Frau die den Chor geleitet hat, aber Können setzt sich durch. So wurden meine Bedenken auch gleich zerstreut. Vorsingen brauchte ich nicht, hätte ich mir auch gar nicht zugetraut. In der ersten Stunde konnte ich in den jeweiligen Stimmen hineinhorchen. Geübt wurde „La Montanara“, das Lied der Berge, aber im originalen italienischen Chorsatz. Zuerst war ich im 1. Tenor – nein, diese Stimme war eindeutig zu hoch für mich. Dann der 2. Bass – eindeutig zu niedrig. Zuletzt der 1. Bass, das war schon besser. Hans Kölln war mein Nebenmann, er war ja nur 3 Jahre älter als ich. Dazu bekannte Gesichter wie Ernst Dwenger und Gerhard Schmidt, also blieb ich im 1. Bass. Dass ich es nicht im 2. Tenor probiert habe, ist aus heutiger Sicht ein Fehler gewesen, aber in dieser Stimme sangen schon genug Leute, da wurden keine neuen Sänger gebraucht. Ralf Kögl war nicht mehr im Verein.

Was soll ich zu den ersten Übungsabenden sagen? Die Lieder waren alle neu für mich, ich konnte oft nur zuhören und versuchen an einigen Stellen mitzusingen. Wichtig war, an den richtigen Stellen den Mund auf und an anderen Stellen wieder zuzumachen. Die Geselligkeit während der Übungsabende hatte es mir angetan, alle waren so freundlich zu mir. Nie werde ich die Worte von Gerd Frehse vergessen, der zu mir sagte, dass man beim Singen die Vokale betont und die Konsonanten verlässigt. Nach einigen Übungsabenden fragte Karl-Otto Just mich, ob ich in den Verein eintreten möchte, und ich habe Ja gesagt. So ist der 1. April 1984 das offizielle Eintrittsdatum geworden.

Mitte April der 1. Auftritt mit dem Gesangverein im Vereinslokal, in der „Traube“. Franz Witt feierte Geburtstag. Er war lange Jahre Sänger im Chor gewesen und hatte erst kurz vor mir aufgehört. Ich wurde als seinen „Nachfolger“ präsentiert. Den Leuten hatte der Gesang gefallen, und wir Sänger haben nach dem Auftritt noch etwas zu trinken und zu essen bekommen – was will man mehr.

Himmelfahrt 1984 ging es nun auf große Tour nach St. Valentin. Nachmittags fuhren wir zum Hamburger Hauptbahnhof, um mit dem Schlafwagenzug nach Österreich zu fahren. Freitagmorgens kamen wir in St. Valentin an und wurden auf private Quartiere verteilt. Ich kam mit Hans Kölln zur Familie Zeller. Liebe Menschen, eine bessere Unterkunft hätte ich nicht bekommen können. Ein kleines Missverständnis hatte es auch gegeben. Hans und ich sagten „Wir schnacken platt“, und die guten Leute haben anstatt „schnacken“ „schnackseln“ verstanden, was so etwas wie „Liebe machen“ bedeutet. Aber das Missverständnis hat sich schnell aufgeklärt.

Was soll ich sagen, die Tour in Österreich mit dem Besuch beim Heurigen war so toll, dass wir alle die Generalprobe versäumt haben. Und am nächsten Abend, beim gemeinsamen Auftritt mit den österreichischen Chören, passierte das Malheur, dass das Abschlusslied voll in die Hose ging. „Wer hat dich, du Wald, aufgebaut so hoch da droben? Wohl den Meister will ich loben…“. Das Lied haben wir nie wieder gesungen. Sonntagmorgen hieß es schon wieder Abschied nehmen. Die Rückfahrt mit der Deutschen Bahn werde ich auch nie vergessen. Es gab zwar einen Restaurantwagen, aber die hatten kein Proviant mitgenommen, so knurrte uns allen der Magen.

Auch in der Folgezeit war nicht jeder Auftritt erfolgreich. In der Weihnachtszeit gab es in den 1980er Jahren immer einen Punschabend, und als Einstimmung darauf gab es in der Sieker Kirche einen Gottesdienst mit den Soldaten der Graf-Goltz-Kaserne in Hamburg. So auch in der Weihnachtszeit 1984. Der MGV Siek sollte 2 Lieder singen, und die Reihenfolge wurde vorher festgelegt. Irgendwie müssen der Chor und die Chorleiterin sich missverstanden haben, jedenfalls sang der Chor das eine Lied, während Marianne das andere Lied dirigierte. Es muss fürchterlich geklungen haben, wir wurden nicht mehr zu einem Gottesdienst mit den Soldaten eingeladen.

Das erste Jahr war nicht leicht für mich. Über 30 Lieder mit der Zeit neu lernen, dazu der Schulstress mit der Höheren Landbauschule, die Freiwillige Feuerwehr erforderte auch viel Zeit, dazu waren andere Dinge wie Fußball interessanter – aber ich habe mich durchgebissen. Warum bin ich im Chor geblieben? Des Gesanges wegen nicht, sondern wegen der Geselligkeit. Zu der Zeit hatte der Gesangverein über 30 Sänger, ich füllte also nur die hinteren Reihen auf. Aber überall wo wir auftraten waren wir gern gesehene Gäste, und wir wurden immer gut bewirtet. Nach dem ersten Jahr im Gesangverein, 1985, war auch meine Schule beendet, so dass nun einige Monate „unbeschwerte“ Zeit folgten.

Die nächsten 3 Bilder stammen von der Vatertagstour 1985:

Treffen zu Fuß bei Kewitz im Sieker Berg

Fußmarsch mit Bollerwagen in Richtung Lütjensee

Kegeln im Landhaus Schäfer in Bollmoor (nicht mehr ganz nüchtern)

Was waren das früher für schöne Auftritte. Wir waren immer mehr als 20 Sänger, und die Geselligkeit wurde gepflegt. Die nächsten 3 Bilder stammen von einem Auftritt in Meilsdorf im Juni oder Juli 1985. Im Hintergrund eines Bildes sehe ich Frau Graak, es müsste eine Feier in ihrer Verwandtschaft gewesen sein.

Auftritt im Freien mit Marianne als Chorleiterin

Geselliges Beisammensein auf der Diele. Ganz rechts ist Ernst Dwenger zu sehen, er hat dieses Jahr wegen einem Augenleiden aufgehört. Daneben mit der Zigarette Horst Bölck, heute noch aktiv dabei. Weiter folgt Georg Tiedke, Anfang der 90er Jahre aufgehört; Hans Kölln, im Oktober 1994 nach der Parisfahrt aufgehört; Gerd Frehse, 1995 aufgehört; Richard Demuth, heute mit fast 80 Jahren noch aktiv dabei; Charles Janecke, hat zusammen mit seiner Frau Marianne nach ihrer Verabschiedung als Chorleiterin im April 1995 aufgehört; Erich Pingel, 1987 verstorben; Horst Laufer und Fritz Kulsch, beide vom Todendorfer Gesangverein, haben irgendwann in den 80er Jahren aufgehört; Franz Koops, hatte zu Beginn dieses Jahres einen Autounfall und kommt seitdem nur noch zum Singen wenn er mit dem Auto abgeholt wird, kann praktisch als Abgang gezählt werden; Arnold Trenner, noch aktiv dabei; Manfred Köster, hat Anfang der 90er Jahre aufgehört; Frank Lodders, 1995 verstorben; Gerd Scheller, lebt auf Mallorca und kommt nur für einige Wochen im Jahr, wenn er sich in Siek aufhält, zum Singen, praktisch ein Abgang; dann bin ich zu sehen.

Jetzt das andere Ende vom Tisch. Ganz rechts sitze ich; neben mir sitzt Otto Griem, dieses Jahr im Alter von fast 94 Jahren verstorben; dann folgt Robert Lodders, hat Mitte der 90er Jahre aufgehört; Gerhard Schmidt, 2002 aufgehört wegen Knieproblemen; Marianne Janecke, hat zum 31. März 1995 als Chorleiterin aufgehört; und als letzter, rauchend zwischen Marianne und Ernst Dwenger, sitzt Peter Graak, hat Anfang der 90er Jahre aufgehört, inzwischen verstorben.

Auch früher gab es immer Sänger, die sich nach dem Singen aus verschiedenen Gründen gleich verabschiedet haben. Auf dem Bild beim Auftritt im Freien sind außerdem noch zu sehen: Horst Henke, hat letztes Jahr wegen Tinnitus im Ohr aufgehört; Gerd Höthke, im Februar 1990 verstorben; Helmut Kewitz, hat dieses Jahr einen Schlaganfall erlitten; und Rudolf Hölzinger, ist 1997 nach einem Streit mit dem damaligen 1. Vorsitzenden Gerhard Schmidt aus dem Verein ausgetreten. Karl-Otto Just konnte Mitte 1985 schon nicht mehr zum Singen kommen, weil er einen Schlaganfall erlitten hatte. Er verstarb im Januar 1987.

Wie viele Leute von damals sind heute noch aktiv dabei? Horst Bölck im 2. Bass, Richard Demuth im 2. Tenor, und Arnold Trenner im 1. Tenor. Gerd Scheller im 1. Bass und Franz Koops im 1. Tenor kommen im Jahr vielleicht noch zu ein paar Übungsabenden, vielleicht übersteht Helmut Kewitz seinen Schlaganfall, aber so ein guter Sänger wie früher wird er nicht mehr werden. Wer hat gefehlt? Hans Gaidies und Dieter Kewitz im 1. Tenor, Heinz Witten im 1. Bass, und Wilfried Jacobi im 2. Bass. Von 1985 bis 2006, so gewaltig hat sich der Verein verändert.

Der Höhepunkt des Vereins war sicherlich die 100-Jahr-Feier im Juni 1986. Welche Sänger waren damals noch mit dabei? Siegmund Sauer im 2. Bass, 2002 gestorben; Manfred Rietmüller im 1. Bass, hat 2004 aufgehört; Erich Mech, 1. Bass, hat im Juli 1989 wegen Hörproblemen aufgehört; Malermeister Willi Baethge, 2. Tenor, hat nach der 100-Jahr-Feier aufgehört; Wolfram Rösch, 2. Tenor, hat Anfang der 90er Jahre aufgehört; und Horst Dose, 2. Tenor, hat im Juni 1995 aufgehört. Über 30 Sänger waren wir damals, der Verein funktionierte gut. Da konnte man es verschmerzen, wenn der eine oder andere nicht zum Singen kommen konnte. Auch ich hatte in den folgenden Jahren Zeiten, wo der Gesangverein wochenlang auf mich verzichten musste, sei es aus beruflichen, privaten oder gesundheitlichen Gründen.

Nach der 100-Jahr-Feier das nächste Problem. Lieschen Hintz, die Frau von unserem Vereinswirt Ossi Hintz, war verstorben. Wie sollte es mit unserem Vereinslokal weitergehen? Zum Glück konnte schnell mit Angela und Jan Reske ein Paar gefunden werden, die den Laden übernommen haben (und auch noch heute betreiben). Wie gut es mit den neuen Gastwirten funktionierte, konnte man im Februar 1987 sehen, als mein Großvater in der „Traube“ seinen 85. Geburtstag feierte. Sangesbruder Gerd Frehse war im Vorraum umgekippt, und schnell gingen die Türen zum Saal zu, so dass die Gäste nichts mitbekamen. Einige dachten, er hätte zuviel getrunken und wollten ihn aus dem Verein entfernen, aber dem war nicht so, und durch meinen Einsatz für ihn durfte er weiterhin im Verein bleiben.

An jeden Auftritt kann ich mich natürlich nicht mehr erinnern. In den 80er Jahren waren wir des Öfteren in Meilsdorf zum Singen. Leider ist diese Quelle nachher versiegt, zuletzt haben wir 1993 bei Hasenclever gesungen. Marianne war Organistin in der Kirche in Braak, also haben wir dort zum Erntedankfest und in der Vorweihnachtszeit gesungen. An einem Auftritt im Reitstall von Rausdorf (wo Marianne ihr Pferd untergebracht hatte) kann ich mich auch noch gut erinnern. Wir hatten mitten im Reitstall ein paar Weihnachtslieder gesungen, aber niemand hatte zugehört. Wir hätten einen Plattenspieler laufen lassen können, niemand hätte etwas gemerkt. Das war echt deprimierend. Ebenso ein Auftritt in einem Altersheim in Rahlstedt. Einige ältere Herrschaften waren geistig nicht mehr voll anwesend und fingen bei unserem Singen laut an zu heulen. Lieber Gott, bitte lasse mich nicht so ein Schicksal ereilen.

Im Sommer 1989 kam die große Umstellung. Für mich war die Stimme des 1. Bass eigentlich zu niedrig, ich wollte gerne in den 2. Tenor wechseln. Gebraucht wurden aber 1. Tenöre, und so musste ich zusammen mit Robert Lodders in den 1. Tenor wechseln. Ich sei eben noch jung an Jahren und müsse diese Stimme packen können. Außerdem wäre es im 1. Tenor wesentlich leichter für mich, weil die tragende Stimme des Vereins oftmals die Melodie singen müsse. So bin ich vom Regen in die Traufe gelandet. Konnte ich im Bass die unteren Töne nicht erreichen, so hatte ich nun im Tenor mit den oberen Tönen Probleme. Schon wieder die Lieder neu erlernen. Dieses Mal war es einfacher für mich, da ich schon in vergangenen Übungsabenden hören konnte, was der Tenor zu singen hatte.

1990 stand im Zeichen der Fall der Mauer in Ostdeutschland und somit der Wende in den deutsch-deutschen Beziehungen. Einen jungen Mann aus Thüringen hatte es in unsere Region verschlagen. Er war Mitglied in einem Gesangverein aus Brunau (Brunau, nicht Braunau), und so konnten Kontakte nach „drüben“ geknüpft werden. Thüringen ist zwar auch Deutschland, aber es war damals eine ganz andere Welt. Überall roch es dort nach Braunkohle, für mich ein ungewohnter Geruch. Im April 1990 sind wir mit einem Bus zu denen nach Thüringen gefahren, natürlich zu einem gemeinsamen Konzert. Im Mai 1991 erfolgte deren Gegenbesuch bei uns, im Frühjahr 1992 sind dann wir wieder nach Thüringen gefahren, wir haben ihnen noch unsere alte Vereinskleidung geschenkt, und seitdem ist der Kontakt eingeschlafen.

Diese gemeinsamen Auftritte schienen unserem Verein wieder etwas Auftrieb zu geben, weil mir es so schien als würde so langsam die Luft aus dem Verein entweichen. Irgendwie war immer alles dasselbe. Der Vorstand war immer derselbe (1. Vorsitzender Gerhard Schmidt, 2. Vorsitzender Richard Demuth, 1. Kassenwart Siegmund Sauer, 1. Schriftführer Manfred Köster), Marianne unsere Dirigentin, die Liederkommission bestand zumindest immer aus Helmut Kewitz, Richard Demuth und Ernst Dwenger, und auch im übrigen Verein gab es kaum Veränderungen. Nach dem Tode von Gerd Höthke übernahm Richard Demuth seinen Posten als Hauskassierer mit und hat diesen Posten heute noch, kein anderer will ihn übernehmen. Der Festausschuss hatte keine Ideen mehr entwickelt, und wenn die Fahrten nach Thüringen nicht gewesen wären hätte es auch gar keine Ausfahrt mehr gegeben. Irgendwie lief immer der gleiche Trott ab. Außerdem kam Manfred Köster immer weniger zum Singen und hörte schließlich ganz auf, so dass der Posten des 1. Schriftführers neu zu besetzen war. So wurde ich 1993 der 1. Schriftführer im Verein, ein paar Tage nachdem ich bereits in der Feuerwehr den Posten des 1. Schriftführers übernommen hatte.

Was soll ich sagen? Kaum war ich gewählt, kaum war die Versammlung zu Ende, schon prasselten die Wünsche auf den neuen Vorstand nieder: Konzert, mehrtägige Ausfahrt, und was weiß ich noch mehr. Auf der Jahrestagung vom Sängerkreis hat Gerhard Schmidt mitgeteilt, wir wollten ein Konzert veranstalten und suchten noch ein paar Gastchöre – am gleichen Abend war die Teilnehmerliste schon vollzählig. Für die Vatertagstour 1993 hatte ich mich bereit erklärt, die Leute wieder mit Trecker und Wagen zu kutschieren. Alle waren sie so begeistert, am liebsten hätten sie jedes Jahr so eine Tour unternommen. Die mehrtägige Ausfahrt musste auf das kommende Jahr verschoben werden. Ich hatte Kontakt mit der Firma „Musik Kontakt International“ in Bonn aufgenommen, es standen mehrere Ziele zur Auswahl, die Wahl fiel auf der Jahreshauptversammlung 1994 auf Paris. Ein Angebot für Paris erarbeiten lassen, mit Gerhard Schmidt bei Scharnweber einen Bus organisiert, der Festausschuss übernahm die Anmeldungen, und schon stand die Ausfahrt fest. Einige großzügige Spenden haben wir auch noch erhalten, also sind wir Anfang Oktober mit etwa 50 Personen nach Paris gefahren. Der nächste mehrtägige Ausflug, im August 1995 in den Spreewald, war auch praktisch gleich ausgebucht, wir mussten eine Reserveliste einführen. Gleichzeitig begannen im Frühjahr 1995 die Vorbereitungen für die 110-Jahr-Feier. Niemand kann mir einen Vorwurf machen, ich hätte nichts für den Verein getan.

Was während der Parisfahrt alles gelaufen ist weiß ich nicht. Auf einmal kommt Hans Kölln, ein bis dahin sehr aktives Mitglied, nicht mehr zum Singen, und hat sich auch nicht wieder blicken lassen. Und Marianne wurde so komisch. Sie forderte mich auf, den Verein zu verlassen, weil ich angeblich nicht gut genug für den Chor sei. Nein, ich hatte nicht die ganzen Jahre mir so viele Mühe gegeben und so viel Zeit investiert, um mir jetzt sagen zu lassen, ich sei nicht mehr gut genug. Mir war klar, auf Dauer konnte ich nicht gleichzeitig in beiden Vereinen von Gesangverein und Feuerwehr Mitglied sein, schon gar nicht Schriftführer, aber so wollte ich den Chor nicht verlassen. Ich bin also geblieben, dafür hat Marianne erklärt, als Chorleiterin aufhören zu wollen, sie sei nun alt genug, und es gäbe keine Ziele für sie mehr mit dem Gesangverein. So haben dann die Chorleiterinnen gewechselt, auf Marianne folgte Sylvia (eigentlich müsste ich Frau Holtkamp sagen).

Dieses Bild ist das offizielle Gruppenfoto zur 110-Jahr-Feier, aufgenommen im Oktober 1995 auf dem Marktplatz in Siek.

Die Vereinskleidung hat gewechselt, die Chorleiterin hat gewechselt, einige neue Mitglieder sind hinzugekommen, aber der Bestand ist geschrumpft auf 25 Sänger. Seit 1985 waren 10 Jahre vergangen, und in dieser Zeit hat der Verein nur 6 neue Mitglieder aufnehmen können, von denen 4 heute noch aktiv dabei sind. Marc Lodders hat sich seit diesem Fototermin nicht mehr blicken lassen, und Karl-Heinz Schultz ist leider im März 2000 verstorben. Und von wo kommen die anderen 4 her? Uwe Schippmann aus Ahrensburg, Bernhard Rietmüller aus Barsbüttel, Horst Östreich aus Todendorf und Burkhard Müller aus Großhansdorf, keiner aus Siek. Aus Siek Männer zum Mitsingen zu bewegen ist immer schwieriger geworden.

Über die 110-Jahr-Feier und die Vorbereitungen möchte ich am liebsten übergehen. Das Theater, welches ich in der Feuerwehr erleben musste, hatte natürlich auch Auswirkungen auf den gemeinsamen Festausschuss. Ich erklärte mich wenigstens dazu bereit, das Festkonzert mit zu organisieren. Der 1. Vorsitzende Gerhard Schmidt hatte in der Vorbereitungszeit einen Unfall erlitten und hatte seitdem mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Man merkte, lange wird er seinen Posten nicht mehr ausüben können. Der Posten des Kassenwartes war in dieser Zeit an Burkhard Müller übergegangen, aber einen der beiden Vorsitzenden ersetzen? Über 20 Jahre lang hatten Gerhard Schmidt und Richard Demuth den Verein geleitet, einen Nachfolger zu finden durfte sehr schwer für uns werden.
Es kam so wie es kommen musste. Keiner wollte Nachfolger werden, also wurde Gerhard Schmidt, obwohl körperlich angeschlagen, wieder gewählt. Daraufhin hatte „sein bester Freund“ Rudolf Hölzinger nach über 20 Jahren unseren Verein verlassen. Es tut immer weh, auf so eine blöde Art und Weise einen guten Sänger zu verlieren, aber wem sollte man die Schuld geben? Zum Glück konnten wir in der Zeit, wo Sylvia unsere Dirigentin war, jeden Abgang durch einen Neuzugang ersetzen. Es sind jetzt wieder ein paar Sieker dabei gewesen, aber zum größten Teil kamen die Neuen aus den Nachbardörfern.

1998 konnten wir wenigstens Manfred Rietmüller als neuen 2. Vorsitzenden gewinnen, um ein Jahr später zum neuen 1. Vorsitzenden befördert zu werden. Das schien dem Verein wieder etwas Auftrieb zu geben. Im Juni waren wir ein Wochenende in den Spreewald nach Casel gefahren, um dort beim Fest des „Johannesreiten“ aufzutreten. Außerdem wurde im Oktober wieder ein großes Konzert in der Mehrzweckhalle veranstaltet. Im Jahr darauf schaffte der Verein sich eine neue Vereinsfahne an, natürlich mit einem großen Konzert eingeweiht. 2001 kam es wieder zu großen Veränderungen. Manfred Rietmüller war den Anforderungen des 1. Vorsitzenden nicht mehr gewachsen und stellte seinen Posten zur Verfügung, und Sylvia Holtkamp musste als Chorleiterin abtreten aufgrund einer Schwangerschaft. Trotzdem haben wir eine 4-tägige Fahrt nach Dresden und erneut ein großes Herbstkonzert veranstaltet. Aber die Fahrt nach Dresden hatten nur noch 8 Sänger mitgemacht, wir konnten natürlich nirgendwo auftreten. Hier merkte man schon, das Interesse am Verein ließ doch ganz schön nach. Es war die bis heute (September 2006) letzte große Ausfahrt.

2002 wurde nun Wilfried Jacobi zum neuen 1. Vorsitzenden gewählt. Und mit Krzysztof Skladanowski hatten wir nach dem Herbstkonzert einen neuen Chorleiter. Meine beruflichen Veränderungen mit dem Kauf des Hofes in Kühsen hatten keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Verein, da ich ja vorerst in Siek wohnen blieb. Was sich auf jeden Fall änderte, das war die finanzielle Lage des Vereins, und das nicht nur wegen der Einführung des Euros. Früher, in den 1960er Jahren, hatten die Chorleiter etwa 60 DM pro Monat erhalten; später, in den 1980er Jahren, musste 60 DM pro Übungsabend und Auftritt bezahlt werden; und nun waren wir nicht weit von 60 Euro pro Übungsabend und Auftritt entfernt. Was sollte man machen? Von der finanziellen Seite her gesehen konnten wir uns Krzysztof nicht leisten, aber gute Chorleiter mit guter Ausbildung waren nur schwer zu bekommen, die Vereinsmitglieder lehnten eine Erhöhung des Mitgliedsbeitrages ab, so dass der Verein seitdem von seiner Substanz lebt. Und wieder musste ein Herbstkonzert veranstaltet werden, nur damit der Chorleiter bezahlt werden kann.

Eigentlich wollte ich hier meinen Posten als Schriftführer hinschmeißen, und ich hätte es besser auch tun sollen. Aber sollte ich mich so aus Siek verabschieden? Schließlich sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, die finanzielle Seite wieder ausgleichen zu können, entweder durch eine Einsicht der Vereinsmitglieder für eine Notwendigkeit einer Beitragserhöhung, oder es hätte ein bezahlbarer Chorleiter gefunden werden können. Einen Verein, der sich durch ständigen Substanzverlust selbst zu Grunde richtet, wollte ich nicht unterstützen. Aber was hatte sich in den folgenden Jahren geändert? Nichts, rein gar nichts. Die Mitgliedsbeiträge sind nicht erhöht worden, und der Chorleiter hat immer mehr Geld verlangt und natürlich auch bekommen. Neue Sänger hat der Chor auch nicht finden können; diejenigen, die zu uns gekommen sind, hat Krzysztof aus anderen Vereinen zu uns mitgebracht. So konnten Abgänge einigermaßen kompensiert werden, aber es war kein Interesse an Vereinsarbeit vorhanden. 2003 hatte der Festausschuss noch einen Ausflug zur IGA in Rostock organisiert, in den nächsten Jahren gab es schon keine Ausfahrt mehr.

Seit meinem Umzug nach Kühsen, welches Interesse hatte ich noch am Verein? Einerseits war Siek meine Heimat, und so konnte ich noch Kontakt zur Heimat behalten. Andererseits wurden die Anstrengungen für mich größer. Die Fahrt nach Siek dauert jedes Mal eine halbe Stunde, ganz zu schweigen von den ständig steigenden Benzinkosten. Solange noch immer genügend Sänger kamen, und solange ich noch etwas Freude am Mitmachen verspürte, solange bin ich auch hingefahren. Aber wenn in einem Verein, der von seiner Substanz lebt, sich nichts ändert, da kann einem auch die letzte Freude vergehen.

Im August 2006, was hatte ich denn noch im Verein zu suchen? Meine Ländereien in Siek bin ich losgeworden, ich brauchte nicht mehr in Siek wirtschaften, mein Heimatort ist mir immer fremder geworden. Und im Verein passierte das was kommen musste. Altgediente Sänger schieden aus gesundheitlichen Gründen aus dem Verein aus, neue Sänger natürlich nicht in Sicht. Das Liedgut entsprach auch mehr meinen Vorstellungen. Warum musste man immer die schweren Kosakenlieder üben, und diese ewige Summerei ging mir gegen den Strich – der Verein hieß schließlich Gesangverein und nicht Summverein. Und wenn ich meinem Unmut Luft machte, bekam ich nur zu hören „Was du sagst ist lächerlich“. Was habe ich in diesem Verein noch zu suchen? Was habe ich für diesen Verein nicht alles getan, auch für die bevorstehende 120-Jahr-Feier im Oktober 2006? Und dann muss ich mir anhören, meine Worte wären lächerlich? Muss ich mich demütigen lassen?

Was wäre denn passiert, hätte ich das nächste Konzert wieder mitgemacht? Alle hätten wieder applaudiert, es wäre alles toll gewesen, und es wäre wieder zur Tagungsordnung übergegangen worden. Für viele war meine geleistete Arbeit einfach schon selbstverständlich geworden. Aber Kritik und Verbesserungsvorschläge will von mir keiner hören, das ist ja sowieso „lächerlich“. Immer mehr Arbeit, immer weniger Freude, so bringt Vereinsarbeit keinen Spaß. Meine Kraft und mein Interesse an diesem Verein sind zu Ende gegangen.